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Dr. Christel Oldenburg MdHB

10.02.2020 16:18 Kategorie: Kolumne

Dammbruch in Thüringen – die Kollaborateure


Foto: © Rob Irgendwer, CC BY-SA 3.0 DE

Foto: © Rob Irgendwer, CC BY-SA 3.0 DE Das Skandal-Schauspiel bei der Wahl des Ministerpräsidenten in Thüringen am 5. Februar ist ja bereits öffentlich in allen relevanten Medien gewürdigt worden; neben dem Täuschungsmanöver der AfD drehte sich die Diskussion sehr bald um die Frage, ob die ganze Abstimmung nicht doch eine abgekartete Sache auf Seiten der CDU und der FDP war – Indizien sprechen für diese Annahme. Man könnte die ganze Angelegenheit als Groteske betrachten, wenn sie nicht so ernst wäre: Mit ihrem Abstimmungsverhalten bei der Wahl des thüringischen Ministerpräsidenten haben die CDU und die FDP erstmalig mit der AfD kollaboriert, seitens der CDU-Fraktion sogar gegen einen klaren Parteibeschluss, der jegliche Zusammenarbeit mit der AfD explizit ausschließt. Natürlich war der Aufschrei in der politischen Öffentlichkeit und in den Medien groß, sehr schnell mussten die Fraktionen von CDU und FDP zurückrudern und Schadensbegrenzung betreiben – aber da war das Kind schon in den Brunnen gefallen. Der bisherige (beliebte) Ministerpräsident Bodo Ramelow fiel bei der Wahl durch, stattdessen wählten AfD, CDU und FDP den bis dato kaum bekannten FDP-Fraktionsvorsitzenden Thomas Kemmerich zum neuen Landeschef. In der Öffentlichkeit war von einem »Dammbruch« die Rede, gar von einem Tabubruch – der Zentralrat der Juden etwa zeigte sich entsetzt über die Kooperation zweier bürgerlicher Parteien mit der rechtsextremen AfD unter der Ägide des offen faschistisch agierenden Fraktionschefs Björn Höcke. Mittlerweile haben die Vorgänge in Thüringen für weiteren Wirbel gesorgt, vor allem in der CDU: Deren bisherige Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer hat heute ihren Rückzug von der Parteispitze und ihren Verzicht auf die Kanzlerkandidatur angekündigt. Mitentscheidend für diesen Schritt dürfte der offenkundige Autoritätsverlust sein, der deutlich wurde, als »AKK« bei einem mehrstündigen Besuch der Thüringer CDU-Fraktion auf Granit stieß mit ihrer Forderung, zur Schadensbegrenzung möglichst bald Neuwahlen anzusetzen. Die Thüringer Abgeordneten hielten gar nichts von dieser Idee und ließen dies die CDU-Vorsitzende auch spüren. Ihr Argument: Die CDU-Zentrale in Berlin wisse doch gar nicht Bescheid über die Befindlichkeiten der konservativen Wählerschaft in Thüringen, die Zentrale möge sich aus den Entscheidungen in Thüringen heraushalten.  Damit nicht genug, haben die Thüringer CDU-Abgeordneten auch noch Ärger mit ihrem Fraktionschef Mike Mohring, der wohl vor dem Karriere-Aus steht; in der CDU selbst gehen sich moderate und konservative Kräfte gegenseitig an den Kragen. Selbst die Noch-Parteivorsitzende AKK argwöhnt, dass manche Christdemokraten ein ungeklärtes Verhältnis zu AfD und Linken hätten. Sie sei strikt gegen eine Zusammenarbeit mit AfD und Linkspartei. So unsinnig es sein mag, via Äquidistanz-Dogma und Hufeisen-Theorie die AfD-Rechtsextremisten und die Linke als gleichermaßen ablehnenswert zu betrachten, so sehr sollte einen doch stutzig machen, dass selbst die CDU-Chefin davon ausgeht, dass mache Parteifreunde keine Berührungsängste mit der AfD zeigen – die erzreaktionäre Werteunion etwa blinkt auch gerne mal weit rechts. Entsprechend gibt es Befürchtungen, dass die CDU nach dem Abgang von AKK nach rechts driften könnte – wie der Richtungsstreit in der CDU ausgeht, ist noch unklar. Eine mehr oder minder offene Kollaboration mit der AfD jedoch könnte die Partei in ihren Grundfesten erschüttern und zu heftigen Konflikten führen – die nächsten Wochen wird sich zeigen, welche Richtung die CDU einschlagen wird.
Christel Oldenburg