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Christel Oldenburg - Schulterschluss von Nazis und »besorgten Bürgern« – Sachsen hat ein Problem
Wappen der Hamburgischen Bürgerschaft

Dr. Christel Oldenburg MdHB

03.09.2018 12:36 Kategorie: Kolumne

Schulterschluss von Nazis und »besorgten Bürgern« – Sachsen hat ein Problem


Foto: Sandro Schmalfuß, CC BY-SA 3.0

Die Vorfälle und Demonstrationen während der vergangenen Woche in Chemnitz sind vielfach dokumentiert, analysiert und kommentiert worden, angefangen vom heuchlerisch vorgeschobenen Anlass, der angeblichen Trauer um den gewaltsamen Tod eines Mannes bei einer Auseinandersetzung, über das teils offen fremdenfeindliche, hasserfüllte Agieren marodierender Neonazis bis hin zum Schulterschluss bürgerlicher Demonstrationsteilnehmer mit eben jenem Nazi-Mob. Dennoch sei auf einige Aspekte der Vorfälle in Chemnitz hingewiesen, die uns allen zu denken geben sollten – auch bei der Frage, wie wir es mit den Bürgerrechten, der Toleranz und dem Umgang mit gesellschaftlichen Kontroversen halten.   – Zum einen fällt natürlich der naiv-gefährliche Umgang der Ordnungskräfte und ihrer politischen Verantwortlichen mit den abzusehenden Demonstrationen und Gewalttaten auf. Bei den ersten Demonstrationen am vergangenen Sonntag und Montag war die Polizei mit der Lage überfordert, konnte den Ausschreitungen, etwa regelrechten Hetzjagden auf Ausländer, keinen Einhalt gebieten. – Dennoch konstatierte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, die Polizei habe einen »super Job« gemacht, das wäre ein weiterer bemerkenswerter Aspekt. Diese Einschätzung grenzt schon an Realitätsverweigerung, wobei die Umdeutung von problematischen Entwicklungen in Sachen Tradition hat: Der frühere sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) hielt seine Landleute im Freistaat im Jahr 2000 für gefeit und »völlig immun« gegenüber »rechtsradikalen Versuchungen«. Vier Jahre später saß die NPD im sächsischen Landtag. – Von einer durchgehenden Immunität des Bürgertums gegenüber rechtsradikalen Positionen kann nicht die Rede sein, der Schulterschluss zwischen »Normalbürgern«, Rechtsextremen und Neonazis war in Chemnitz erschreckend selbstverständlich zu beobachten – in Sachsen scheinen viele Bürger keine Berührungsängste vor der äußersten Rechten und den Neonazis zu verspüren. – Dafür kam in Chemnitz ein in dieser Form bisher nicht bekannter Hass auf die Massenmedien zum Tragen, der sich nicht nur in »Lügenpresse«-Rufen erschöpfte: Journalisten wurden offen attackiert und zum Teil verletzt, ihre Ausrüstung beschädigt. Wenn aber Medienvertreter nicht mehr ungestört über öffentliche Demonstrationen berichten können, dann ist auch die Wächter- und Kontrollfunktion der Presse bedroht, dann läuft etwas gewaltig schief im Freistaat Sachsen.   – Jene Chemnitzern, die zusammen mit Rechtsextremen und Neonazis auf die Straße gingen, folgen in ihren Gründen einer altbekannten Argumentationsfigur, die ebenso unhaltbar wie abstoßend ist: Da ist von einem bedrohten Sicherheitsgefühl die Rede, davon, dass zu viele Ausländer generell und Flüchtlinge im Besonderen ins Land kämen, und schließlich noch darf die mit entsprechend widerlicher  Larmoyanz vorgetragene Klage nicht fehlen, dass »der Osten« generell ja immer zweitklassig behandelt worden sei, während den Flüchtlingen das Geld quasi nachgeworfen werde.  – Bei solch einer wüsten Vermischung von Halbwahrheiten, dumpfen Stimmungsbildern und blankem Neid ist es schwer, weiterhin auf einen Diskurs nach demokratischen Spielregeln zu setzen –es bleibt fraglich, ob die offene Zivilgesellschaft überhaupt noch jene Demonstranten aus dem bürgerlichen Milieu erreichen kann, die da in gefährlicher Eintracht mit Rechtsextremen, Neonazis und Ausländerfeinden durch Chemnitz liefen.

Die sächsische Gesellschaft hat ein veritables Problem bei der Ausgestaltung des demokratischen Miteinanders im politischen Alltag – dieses Problem sind nicht die »besorgten«, sondern die »besorgniserregenden« Bürger. Hoffen wir, dass die Demokraten in Sachsen mit dieser Herausforderung fertig werden. Christel Oldenburg