Wappen der Hamburgischen Bürgerschaft

Dr. Christel Oldenburg MdHB

30.10.2017 17:01 Kategorie: Kolumne

Keine Ausflüchte, dafür klare Grundsätze – Olaf Scholz zur Situation der SPD


Olaf Scholz ist nicht nur Hamburgs erster Bürgermeister, sondern auch stellvertretender SPD-Bundesvorsitzender; in dieser Funktion hat er sich nun mit einem bemerkenswerten Beitrag über den Zustand der SPD zu Worte gemeldet. Das sechsseitige Positionspapier trägt den Titel »Keine Ausflüchte! Neue Zukunftsfragen beantworten! Klare Grundsätze!« und geht der Frage nach, warum es der SPD zum vierten Male in Reihenfolge nicht gelungen ist, die Bundestagswahl für sich zu entscheiden und die Regierungsmehrheit zu stellen. Olaf Scholz plädiert hierbei für eine »schonungslose Betrachtung der Lage« und warnt davor, sich bei der Situationsanalyse in Ausflüchte zu verrennen. Diese Ausflüchte seien die angeblich mangelnde Mobilisierung der eigenen Wähler, der vernebelte Blick auf die Schwäche der Bundes-SPD angesichts der Stärke der SPD in Ländern und Kommunen, das mangelnde Engagement der SPD für soziale Gerechtigkeit, die fehlende Machtoption der SPD als Hemmnis, ausreichend Wähler zu gewinnen und schließlich die wachsende Konkurrenz durch neue Parteien, im »linken Milieu« etwa durch die Grünen und die Linke. Anstatt diese Ausflüchte als Rechtfertigung für das schwache Abschneiden der SPD heranzuziehen, müsse Olaf Scholz zufolge die SPD sich grundsätzlicheren Herausforderungen stellen, etwa der Frage, mit welchen Konzepten die Sozialdemokratie »Fortschritt und Gerechtigkeit in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung« für die Gesamtheit der Bürgerinnen und Bürger gewährleisten will. Unabdingbare Voraussetzung für die Erfüllung dieses Gerechtigkeits- und Fortschrittsversprechens seien dabei zum einen wirtschaftlicher Erfolg und Wachstum, zum anderen aber auch ein starker und zuverlässiger Sozialstaat. Diese beiden Komponenten gelte es pragmatisch zu verbinden und fortzuentwickeln: »Sozialdemokratische Politik muss dafu?r einstehen, dass Weltoffenheit und Offenheit fu?r den technischen Fortschritt einerseits, sozialer Friede und gerechte Lebensverhältnisse andererseits vereinbar sind. Sie muss eine Politik formulieren, die zeigt, wie Wachstum möglich ist, an dem alle Bu?rgerinnen und Bu?rger teilhaben.« Eine wesentliche Rolle spielt dabei angesichts der begrenzten Handlungsspielräume der Nationalstaaten die Europäische Union, sie gelte es zu einer Gemeinschaft weiterzuentwickeln, die Fortschritt und Gerechtigkeit sichern kann und politisch auch sichern will. Olaf Scholz fordert zudem eine Einsicht ein: dass nämlich »ein gelungenes Leben auch ohne Hochschulabschluss möglich ist und möglich sein muss« – auch eine Friseurin, Postbotin oder ein Altenpfleger fänden Bestätigung im Beruf, hierfür gebühre ihnen Anerkennung. Die jetzige Durchlässigkeit im Bildungswesen und die damit erhöhten Aufstiegschancen bedeuten nicht zwingend, dass jeder Mensch die potentiellen Aufstiegswege beschreiten muss – gerade die SPD tue gut daran, die wirtschaftlichen und sozialen Perspektiven ungelernter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu verbessern.     Will die SPD in Zukunft wieder Wahlen gewinnen und Regierungsverantwortung übernehmen, so muss sie sich Olaf Scholz zufolge als progressive und kompetente Volkspartei aufstellen, die nicht nur Partikularinteressen vertritt, sondern integrierend in die Gesellschaft hineinwirkt. Hierzu bedarf es klarer Grundsätze und der Umsetzung einmal getroffener Wahlaussagen: »Man darf nur versprechen, was man halten kann und muss halten, was man versprochen hat.« In einigen Passagen seines Thesenpapieres bleibt Olaf Scholz recht abstrakt und grundsätzlich, bisweilen wird er aber auch sehr konkret, etwa mit dem Hinweis auf den Vertrauensverlust, den die SPD 2005 erfuhr, als sie in der Großen Koalition eine drastische Mehrwertsteuererhöhung mittrug, die sie zuvor im Wahlkampf noch heftig bekämpfte. Auf jeden Fall leistet Olaf Scholz einen wichtigen Beitrag zur innerparteilichen Diskussion über die Zukunft der SPD, an dieser Diskussion führt auch kein Weg vorbei – demnächst wird die Partei auf acht Regionalkonferenzen die Debatte fortführen. Es wurde auch Zeit. Christel Oldenburg