25.09.2017 16:26
Kategorie: Kolumne
Nach der Wahl – die SPD geht in die Opposition

Die Bundestagswahl am vergangenen Sonntag hat für einige Überraschungen gesorgt, je nach politischer Position des Betrachters eher angenehme oder unangenehme Überraschungen.
Signifikant ins Auge fallen, neutral gesagt, die hohen Stimmenzuwächse für die AfD und teils damit korrespondierend die Stimmenverluste bei der CDU/CSU und der SPD.
Eine genauere und ins Detail gehende Wahlanalyse ist in dieser Kolumne nicht möglich, dennoch seien einige Umstände und Entwicklungen ihrer Bedeutung wegen erwähnt:
– Der Abwärtstrend bei der Wahlbeteiligung scheint gebrochen zu sein; nach 71,5 Prozent bei der Bundestagswahl vor vier Jahren gingen am vergangenen Sonntag 76,2 Prozent der Wähler an die Urnen. Von den bisherigen Nichtwählern profitierte signifikant die AfD, hier lässt sich auf ein großes Protestwählerpotential schließen.
– Sehr bald nach den ersten Hochrechnungen verkündete Martin Schulz, mit der SPD den Weg in die Opposition anzutreten und für Koalitionsgespräche mit der CDU /CSU nicht zur Verfügung zu stehen – stattdessen wolle die SPD sich in der Opposition personell und programmatisch regenerieren. Damit bliebe für eine stabile Regierungsbildung nur die »Jamaica«-Koalition von CDU/CSU, FDP und Grünen übrig.
Angesichts der inhaltlichen Differenzen bei den potentiellen Regierungspartnern ist aber noch lange nicht sicher, dass dieses Jamaica-Bündnis auch tatsächlich zustande kommt. Scheitert die Jamaica-Option, dann blieben als Auswege noch Neuwahlen oder eine Umbesinnung der SPD, um quasi im höheren Interesse doch noch in eine erneute Große Koalition einzusteigen.
Dieser Schritt indes dürfte für viele Sozialdemokraten und SPD-Wähler kaum gangbar sein, beschädigte er doch heftig die politische Glaubwürdigkeit der SPD.
– Auch in Hamburg hat die SPD Verluste hinnehmen müssen, bei den Zweitstimmen ging ihr Anteil um 8,9 Prozent auf 23,5 Prozent zurück; die CDU überholte die Sozialdemokraten mit 27,2 Prozent der Zweitstimmen (bei 4,9 Prozent Stimmenverlust).
Überdurchschnittlich gut schnitten die Grünen (13,9 Prozent) und die Linke ab (12,2 Prozent), die AfD fuhr in Hamburg mit 7,8 Prozent ihr bundesweit schwächstes Ergebnis ein.
– Hamburgs Erster Bürgermeister und stellvertretender SPD-Vorsitzender im Bund Olaf Scholz plädierte ebenfalls für den Gang in die Opposition: »Es ist gut, dass wir gemeinsam diskutiert haben, dass wir aus diesem Wahlergebnis den Schluss ziehen, dass die SPD in die Opposition geht«, sagte Scholz in der ARD.
– Einige Beobachter meinen, dass die hamburgischen Wähler bei der Bundestagswahl auch die Landes-SPD und ihren Vorsitzenden Olaf Scholz abgewatscht hätten – diesen Schluss aus den Wahlergebnissen abzuleiten, halte ich aber für falsch.
Die traditionell eher nüchternen Hamburger wissen schon zwischen Bundestags- und Landtagswahlen zu unterscheiden; nachvollziehbar erscheint hingegen, dass die Hamburger Wähler ihre Kreuze sehr bewusst in bundespolitischer Absicht gesetzt haben – von den sechs Direktmandaten in Hamburg gingen schließlich fünf an die Kandidaten der SPD.
Die Arbeit der Direktkandidaten in Hamburg scheinen die Wähler also honoriert zu haben.
Was also bleibt als Schlussfolgerung für die SPD nach der Bundestagswahl?
Zum einen die Erkenntnis, dass auch in der Bundesrepublik die Zeit der klassischen Zwei-/Drei-Parteienblöcke abgelaufen ist, mittlerweile sitzen sieben Parteien im Bundestag.
Entsprechend werden die ehedem großen Volksparteien künftig mit geringeren Stimmenanteilen rechnen müssen.
Umso wichtiger wird zum anderen im Wettbewerb um die Wählerstimmen das klare programmatische Profil der Parteien werden, das gilt auch und erst recht für die SPD.
Der Gang in die Opposition bietet den Sozialdemokraten nun die Möglichkeit, sich in den nächsten vier Jahren verbindlich darüber zu verständigen, wofür die Partei steht und wie sie ihre politischen Vorstellungen praktisch umsetzen will.
Insofern ist die Lage für die SPD im Augenblick ernst, aber nicht hoffnungslos – wenn die Partei die Opposition als Chance zur Regeneration betrachtet.
Christel Oldenburg